Die VUCA-Welt erfordert ein neues Herangehen an Situationen und Probleme. Regeln haben in unserem bisherigen Gesellschafts- und Wirtschaftssystem gut funktioniert, doch jetzt ist es an der Zeit über ein neues Format nachzudenken: Prinzipien. Sie sind eine gute Ergänzung für komplexe Situationen, denn Prinzipien lassen Spielraum für Autonomie und Selbstverantwortlichkeit. Gleichzeitig passen sie perfekt zum Arbeiten in selbstorganisierten Teams. Was Prinzipien genau sind und was ein Kreisverkehr damit zu tun hat, erfahren Sie in dieser Podcastfolge.

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Handlungsebenen für Probleme

Bevor wir uns der Definition von Regeln und Prinzipien widmen, lohnt sich ein Blick in ein Modell zur Betrachtung von Problemen und dazu geeignete Handlungsebenen. Hierfür ist die Stacey-Matrix bekannt geworden, die gerne in agilen Kontexten heran gezogen wird um Entscheidungssituationen zu veranschaulichen. Legt man auf diese Matrix ein zweites Modell – das Cynefin Framework von D. Snowden, so ergibt sich eine Übersicht über Ausgangssituationen von Problemen und den jeweiligen, verschiedenen Handlungsmöglichkeiten.

Schauen wir auf das Modell im Kontex von VUCA, wird deutlich, dass komplexe Probleme und Herausforderungen auch eine neue Art des Umgangs damit erfordern. Denn ein Leben in und mit Komplexität bedeutet: Eine Lösung, die heute funktioniert, kann morgen schon obsolet sein.

Neben den bekannten Regeln, die unser Dasein und unsere Ordnung in Organisationen bisher gesteuert haben, bedarf es einer neuen Form. Prinzipien können hierbei weitere Handlungsräume in komplexen Situationen zu eröffnen.

Eine Lösung, die heute funktioniert, kann morgen schon obsolet sein.

Regeln

Regeln sind ein wichtiges Instrumentarium in komplizierten Situationen mit sich wiederholenden und damit bekannten Problemen. Regeln werden von übergeordneter Stelle erschaffen. Die Befolgung gewährleistet Sicherheit. Regeln sind oft eingebettet in ein ganzes Regelwerk von sich ergänzenden Regeln.

Wichtig zu Wissen. Regeln bauen auf einem negativen Menschenbild auf. Ich brauche sie um Menschen davon abzuhalten, sich negativ zu verhalten oder Chaos zu verursachen. Sie dienen also der Herstellung einer Ordnung.

Regeln werden immer aus einem hierachischen Verhältnis heraus konstruiert. Es gibt einen Regelersteller und einen, bzw. mehrere, die diese Regeln befolgen sollten.

Prinzipien

Prizipien sind in komplexen Situationen sinnvoll und für die Lösung neuer und überraschender (auch bekannter) Probleme geeignet. Sie geben Sicherheit durch die Auslegung und Anpassung im jeweiligen Moment. Prinzipien erlauben Autonomie und Selbstverantwortlichkeit. Das erfordert von jedem Akteur ein sinnvolles Handeln und Einsatz von Ressourcen, um sich von A nach B zu bewegen. Den Zeitpunkt, die unmittelbare Richtung und Geschwindigkeit des Handelns muss der Einzelne selbst übernehmen. Ebenso die Interaktion mit den anderen Teilnehmern, um sich z.B. über die Auslegung des Prinzips abzustimmen, ist jedem vollständig überlassen.

Bekanntestes Beispiel für Prinzipien in komplexen Situationen ist das agile Manifest.

Prinzipien basieren auf einem positiven Menschenbild. Sie werden meist aus einer Beziehung auf Augenhöhe heraus konstruiert. Der Dialog dient hierbei als Brücke, nicht nur bei der Definition der Prizipien, sondern auch bei dessen Auslegung im jeweiligen Moment.

Alltagsbeispiel: Von Ampeln und Kreisverkehren

An Beispiel des Verkehrs, der uns alle im Alltag begleitet, kann man ganz gut den Unterschied von Regelwerken und Prinzipien-Systemen erfahren.

Ampelanlagen als Regelsysteme

Ampeln regeln und steuern unseren Straßenverkehr über Lichtsignale. Der Verkehrsteilnehmer weiß: Bei grün kann ich fahren, bei rot muss ich halten. Er braucht nicht nachdenken und kann sich auf das System verlassen. Dadurch, dass Ampelsysteme aber keine Rücksicht auf Verkehrsdichte oder Uhrzeit nehmen, kommt es mitunter zu langen Staus.

Der Kreisverkehr als selbstorganisiertes System

Ein Kreisverkehr funktioniert nach dem Prinzip „Vorfahrt“ und „Fahrt entgegen dem Uhrzeigersinn“ vollkommen selbst organisiert. Autofahrer halten an, fädeln sich in Lücken ein, wechseln selbstständig die Spur und biegen aus dem Kreisverkehr wieder aus. Hierfür ist ein offenes Auge und Gespür für alle Teilnehmer in diesem System notwendig um sich einzuordnen oder das System Kreisvekehr wieder zu verlassen. Gleichzeitig erlauben Kreisverkehre einen zügigen Verkehrsfluss, der sich an die Verkehrsdichte jeweils anpasst.

Ein passendes Beispiel zum Kreisverker-Prinzip bilden die Fußgängerüberwege (Zebrastreifen), die auch in Selbstorganisation funktionieren. Hier ist vor allem die Kontaktaufnahme (Blickkontakt) und Rücksichtnahme von Fußgängern und Autofahrern gut zu beobachten. Fußgängerüberwege zeigen: Selbstorganisation funktioniert nur im Dialog.

Zusammenfassung

Betrachten wir diese beiden Beispiele wird deutlich: Traditionelle Systeme sind wie Ampelsysteme, selbstorganisierte Systeme funktionieren wie ein Kreisverkehr.

Experimente zeigen zudem, dass die Wachsamkeit nachlässt, sobald man die Kontrolle an ein System abgibt. So verursacht der Kreisverkehr erheblich weniger Unfälle als eine Ampelanlage und die Schadenssumme der Unfallschäden ist sehr viel geringer.

Mit Bezug zum oberen Modell (Stacey-Matrix kombiniert mit dem Cynefin-Modell) lässt sich festhalten:

Immer dann, wenn ich das Wissen darüber habe, wie ich ein Problem lösen kann, kann ich auch ein Verfahren, also eine Ampelanlage, dafür entwickeln. In den Fällen, in denen mir Wissen fehlt, brauche ich das Verantwortungsbewusstsein, die Kreativität und Selbstorganisation jedes Einzelnen – genau wie in einem Kreisverkehr.

Praxistipp

Man kann dieses Wissen auch andersrum anwenden:

Indem ich mir das Regelwerk meiner Organisation oder meines Teams anschaue und gemeinsam mit anderen Teinehmern/Kollegen überlege, welche der Regeln sich durch gemeinsam erarbeitete Prinzipien ergänzen oder ersetzen lassen, ermögliche ich ein Stück weit mehr Selbstorganisation.

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