Wusstest du, dass der New Work-Begriff seinen Ursprung weder in der Betriebswissenschaftslehre noch Büroarchitektur hat? New Work hat demnach weder etwas mit neuer Art der Zusammenarbeit oder „agil“ zu tun, noch mit Smart Offices oder kreativen Work Spaces.

Der New Work Begriff hat seinen Ursprung beim Philosophen Frithjof Bergmann. Er ist der Begründer des New Work-Bewegung, die in den 70-er Jahren in Flint / Michigan ihren Anfang nahm.

Die Fabriken von ­General Motors mussten wegen umfangreicher Automatisierungsprozesse und dem zunehmenden Einsatz von Computern ihre Belegschaft neu sortieren. Massenentlassungen standen bevor. Der Philosophieprofessor Bergmann und sein „Zentrum für neue Arbeit“ erarbeitete deshalb einen unkonventionellen Vorschlag für den Automobilkonzern: Statt die Hälfte der Arbeiter zu entlassen und damit die „halbe Stadt arbeitslos und die andere Hälfte überarbeitet“ zu machen, sollte GM lieber einen „horizontalen Schnitt“ wagen.

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Heraus zu finden was man wirklich, wirklich will

Alle Mitarbeiter dürfen bleiben, reduzieren aber ihre Arbeit am Fließband auf nur noch sechs Monate im Jahr. In den anderen sechs Monaten, so Bergmann, sollten die Fabrikarbeiter einer Arbeit nachgehen, die sie erfüllt und ausreichend Einnahmen zum Überleben sichert. Das Zentrum für Neue Arbeit würde sie deshalb dabei unterstützen heraus zu finden, „was sie wirklich tun wirklich wollen“.

Bergmanns Idee dahinter: Klassische Lohnarbeit sei nur so alt wie die Industrielle Revolution, also 200 Jahre, und daher keinesfalls ein Naturgesetz. Und, da Lohnarbeit jetzt nicht mehr funktioniere, sei die Zeit für ein neues Konzept gekommen: die Neue Arbeit. Bei der Lohnarbeit, so Bergmann in seinem Buch „Neue Arbeit. Neue Kultur“, war „die zu erledigende Aufgabe das Ziel“. Der Mensch nutzt ­dafür „sich selbst als Werkzeug, als Mittel zur Verwirklichung dieses Zwecks“. Der Mensch unterwirft sich also Arbeit. Die Neue ­Arbeit möchte diesen Zustand umkehren:

„Nicht wir sollten der Arbeit dienen, sondern die Arbeit sollte uns dienen. Die Arbeit […] sollte uns mehr Kraft und Energie verleihen […], bei unserer Entwicklung unterstützen, lebendigere, vollständigere Menschen zu werden.“

New Work als Minirock

Arbeit sollte laut Bergmann nicht wie eine „milde Krankheit“ sein, die irgendwann vorübergeht. Und so bezeichnete Bergmann verärgert auf der New Work Konferenz 2017 in Hamburg das heutige Verständnis vieler Unternehmen von New Work als einen „Mini-Skirt“. Klassische Lohnarbeit wird also durch Kickertisch, Coffee Bar und Sitzsäcken im Besprechungsraum lediglich etwas angenehmer gestaltet, ihr wird ein „Minirock“ angezogen.

Das ist aber, so schimpfte Bergmann noch lange nicht „New Work“. Die richtige Neue Arbeit sei viel mehr als nur Lohnarbeit mit Deko-Elementen: Sie sei eine Erlösung.

Drei Elemente neuer Arbeit

Beschäftigt man sich intensiver mit Bergmanns Theorie, die vielerorts auch als Utopie bezeichnet wird, dann lässt sich Arbeit zukünftig in drei Bereich aufteilen:

Klassische” Erwerbsarbeit wird im Zuge der Digitalisierung zurück gehen und nur noch zu einem Drittel erfüllt. Damit werden auch Anschaffungen möglich, die nicht durch die eigene Selbstversorgung oder nachbarschaftliche Netzwerke erzeugt werden können.

Bergmann ist davon überzeugt, dass uns zukünftig technische  Innovationen viele Dinge des täglichen Lebens selbst erzeugen und herstellen lässt.

Als dritte Säule der Neuen Arbeit steht die Arbeit, die die Menschen “wirklich, wirklich machen wollen”. Bergmann geht davon, dass Arbeit grundsätzlich niemals endet, wenn man Arbeit genrell und als über das Lohnarbeitssystem hinausgehend definiert.

Verantwortung für den Menschen

In meinem persönlichen Verständnis von New Work bin ich stark bei Bergmann, rücke aber etwas von der genannten Dreiteilung ab. Stattdessen glaube ich, dass auch in der Erwerbsarbeit an sich „Neue Arbeit“ entstehen kann, in dem der Mensch mehr in den Fokus rückt.

Aber New Work ist dann mehr als eine Hülle oder „dekorierte Arbeit“. Das würde bedeuten, dass auf Unternehmen eine riesengroße Verantwortung zu kommt, Arbeit neu zu gestalten. Dazu würde gehören:

  1. Automatisierungs und Digitalisierungsprozesse einzuführen, die „stupide“, unattraktive Arbeitsprozesse übernehmen.
  2. ein völlig neues, freiheitliches Verständnis für die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung zu bekommen.
  3. das Business „um die Menschen herum“ zu bauen und mit ihnen gemeinsam zu entwickeln und nicht davon abgekoppelt Jobpositionen zu kreieren, die dann jemand erfüllen muss.
  4. jedem erforderlichen Arbeitsprozess einen Sinn zu geben.
  5. Das Wollen bzw. die Ziele der Unternehmensmitarbeiter und die Unternehmensziele immer wieder neu auszuloten
  6. Experimentierräume bereit zu stellen, die Mitarbeitern ermöglichen sich auszuprobieren um ihre persönliche New Work Frage für sich zu beantworten
  7. gemeinsam mit jedem Mitarbeiter immer wieder zu schauen, ob die aktuelle Tätigkeit noch zu ihm passt und genügend Entwicklungsmöglichkeiten bietet.

Damit verbunden ist gleichzeitig auch Selbstverantwortung, d.h. jeder Mitarbeiter hat Verantwortung für sich selbst einzustehen und eigene Sehnsüchte und Wünsche im Blick zu haben.

Kritik am Kapitalismus

Bergmann gibt zu, dass sich hinter seiner Theorie auch eine Kapitalismuskritik verbirgt. Dennoch schließt er nicht aus, dass Arbeit zukünftig auch in organisierter Form stattfinden kann und darf. Selbstverwirklichung und Selbstständigkeit muss also nicht immer an eine freiberufliche Tätigkeit gekoppelt sein. Dennoch wird die größte Herausforderung für Unternehmen sein, talentierte Menschen für die eigene Firma zu begeistern und zu halten – mit einem freheitlichen Sinn.

Und damit ist New Work oder Neue Arbeit in meinen Augen gar kein Prozess oder eine Handlungsanleitung für Unternehmen, sondern eine Frage der Haltung, der Kultur und Führung.

Ich würde gerne daran teilhaben wie neue Arbeit globalisiert wird.

 

Frithjof Bergmann

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