Denken und Handeln wie ein Entrepreneur

Effectuation ist ein Handlungs- und Entscheidungsmodell, welches auf einer empirischen kognitionswissenschaftlichen Untersuchung mit Super-Entrepreneuren beruht (1997). Durchgeführt wurde diese Studie von Dr. Saras Sarasvathy. Sie fand heraus, dass Serien-Gründer gewissen Handlungslogiken folgen um Neues in die Welt zu bringen. Diese Logik ermöglicht es eine Zukunft aktiv zu gestalten, wenn das Umfeld unsicher ist und exakte Vorhersage oder Planung nicht möglich sind.

Die vier Effectuation-Prinzipien lassen sich am besten im Kontrapunkt zu den Prinzipien kausaler Management-Logik erklären.

Die 4 Prinzipien von Effectuation sind:

  1. Prinzip der Mittelorientierung
  2. Prinzip des leistbaren Verlustes
  3. Prinzip der Umstände und Zufälle
  4. Prinzip der Vereinbarungen und Partnerschaften

1. Prinzip der Mittelorientierung

Fokus auf dem Hier und Jetzt

Das Effectuation-Modelll steht konträr zur weit verbreiteten kausalen Logik der Zielerreichung. Ich besorge mir also keine passenden Mittel um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, sondern ich schaue welche Ziele sich erreichen lassen mit den Mitteln, die ich zur Verfügung habe.

Hierfür helfen folgende Leitfragen:

  • Wer bin ich / Wer sind wir? (Wissen, Fertigkeiten, Erfahrungen)
  • Was weiß ich / Was wissen wir? (Identität, Werte, Charakter, Vorlieben, Kultur)
  • Wen kenne ich / Wen kennen wir? (Kontakte und Netzwerke)
  • Welche Ergebnisse kann ich/ können wir mit den gegebenen Mitteln erzielen?

2. Prinzip des leistbaren Verlusts

Mögliches Scheitern im Blick

Im klassischen Management plane ich orientiert am erwarteten Ertrag. Ich wähle Ziele aus, die den besten Ertrag versprechen.

Der Effectuation-Ansatz hat den leistbaren Verlust und damit auch ein mögliches Scheitern im Blick. Leistbarer Verlust umfasst u.a. finanzielle und zeitliche Ressourcen, meinen Entscheidungsspielraum als auch meine Ideen.

Leitfragen können sein:

  • Was bin ich / sind wir bereit einzusetzen?
  • Welchen Rahmen gebe ich mir, innerhalb dessen ich mich ausprobieren mag? / Welchen Rahmen geben wir uns, innerhalb dessen wir uns ausprobieren können?
  • Welchen Verlust kann ich mir / können wir im wahrsten Sinnedes Wortes „leisten“?
  • Wo ziehe ich / wir die Grenze, begrenze(n) also aktiv meinen Einsatz an Mitteln? Setze ich / setzen wir alles auf eine Karte oder halte ich / wir weitere Bälle in der Luft?

3. Prinzip der Umstände und Zufälle

Zufälle als Chance erkennen

Während es im kausalen Denken darum geht, Zufälle und Risiken zu minimieren, geht Effectuation davon aus, dass in einem Umfeld mit hoher Ungewissheit Entwicklungen nicht vorhersagbar sind. Es werden Zufälle und unvorhergesehene Ereignisse aktiv als Informationslieferanten genutzt, um eigene Ideen und Vorhaben anzupassen, weiterzuentwickeln und ko-zukreieren.

Mögliche Leitfragen können sein:

  • Was kann ich aus Fehlern lernen? / Was können wir gemeinsam aus Fehlern lernen?
  • Welche Chance ergeben sich durch diese Änderungen?
  • „When life gives you lemons, make lemonade!” (Wenn das Leben Dir Zitronen schenkt, dann mache Limonade draus!)

4. Prinzip der Vereinbarungen und Partnerschaften

Business als Ecosystem

Kausale Logik unterscheidet zwischen „den richtigen Partnern“ und grenzt sich gegen potenzielle Konkurrenz ab. Effectuation bedeutet, Partnerschaften mit denen einzugehen, die sich selbst selektieren und früh an einem noch unsicheren Vorhaben beteiligen. Partner, die bereit sind, sich auf ein ungewisses Ziel einzulassen werden an Bord genommen. Sie können auf die Ziele Einfluss nehmen.

Leitfragen dieses Prinzips können sein:

  • Wie bereit bin ich / sind wir bereit für Partnerschaften auf Augenhöhe?
  • Wie kann ich / wir andere für meine / unsere Idee gewinnen?
  • Wer könnte noch bereit sein, mit mir / uns meine / unsere Idee weiterzuentwickeln?
  • Wie sieht der gemeinsame Raum für Vereinbarungen aus? Haben wir ähnliche Ideen bzgl. der Motive, Mittel und des leistbaren Verlustes?
  • Wie offen bin ich / wir dafür, dass gemeinsam etwas Neues entstehen kann?

Hinter diesem Prinzip steckt die Haltung, dass es besser ist, die Welt lernt meine Idee und mein Vorhaben kennen, auch wenn ggf. jemand anders mit meiner Idee weiterarbeitet, als dass meine Idee in der Schreibtisch-Schublade liegen bleibt.

Effectuation als Werkzeug in der Corona-Krise

Das Effectuation-Modell findet leider trotz seiner Veröffentlichung vor bereits 20 Jahren bisher wenig Beachtung in der wissenschaftlichen Wirtschaftswelt. Im deutschen Sprachraum ist der Österreicher Michael Faschingbauer der bekannteste Experte zum Thema.

Dies ist etwas verwunderlich oder ist möglicherweise ein Beweis dafür, dass die klassischen Managementtheorien in DACH-Unternehmen immer noch weit verbreitet sind. Dabei stellt Effectuation in Zeiten von Disruption und vor allem jetzt in Zeiten von Corona ein spannendes Handlungsmodell dar. Denn es  ermöglicht Handeln bei hoher Unsicherheit, wie in dieser Krise. Und so empfehle ich den Effectuation-Ansatz beim Entwickeln von neuen Geschäftsfeldern oder betreten von neuen Märkten. Es geht darum das Machbare zu tun. Hier kann Effectuation die kausale Logik des klassischen Managements ergänzen – aber nicht ersetzen. In sicherheitsrelevanten Bereichen besipielsweise hat diese immer noch ihre Daseinsberechtigung.

In Verbindung mit agilen Organisationen lässt sich dieses Entrepreneur-Denken und Handeln auch im Team umsetzen. Es muss nicht an Einzelpersonen geknüpft sein. Eine ganze Organisation kann sich gemeinsam die Leitfragen der 4 Prinzipien stellen..

Richtig eingesetzt bietet Effectuation auch im privaten Umfeld ein enormes Wirkpotential. Es erlaubt:

  • Umstände, Unsicherheit und Zufälle als Gelegenheiten nutzen, anstatt sich dagegen abzugrenzen
  • Die richtigen Partner im eigenen Netzwerk suchen (Welche Partner haben Relevanz für das Projekt? Bei wem ist Leidenschaft und Energie gemeinsam mit mir weiter zu denken?)
  • Wie kann ich Überraschungen und Zufälle für mein Projekt nutzen?

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