Von Plänen…

Unser ganzes Leben wurden wir darauf getrimmt Pläne zu machen. Nur als Kinder lebten wir im hier und jetzt. Spätestens aber nach dem Schulende planten wir: Wir planten unsere Ausbildung, evtl. Studium, Beruf, Karriere, Familie, Beziehung.

Lebensmodelle lassen sich nicht immer planen, das merken wir spätestens dann, wenn der unerfüllte Partner- oder Kinderwunsch ausbleibt. Doch im Job fühlten wir uns sicher. Karriereplanung oder Bewerbungtipps füllen ganze Bücherregale. Businesspläne gelten als Voraussetzung für die erfolgreiche Finanzierung einer Geschäftsidee. Und Planungsprozesse an Hand von Simulationen gehören zu den Standardaufgaben vieler Berufe.

Ein Virus schmeißt alle Pläne um

Doch was erleben wir spätestens seit dem „schwarzen“ Freitag, den 13. März? Als Bayern am Morgen, Baden-Württemberg am Mittag und kurze Zeit später alle anderen Bundesländer nachzogen und beschlossen die Schulen des Landes schließen zu lassen?

Spätestens jetzt bekamen viele weiche Knie und die Unsicherheit wuchs von Tag zu Tag. Jeden Tag geht der erste Blick des Tages auf die Infektions-Kurve. Plötzlich hängen täglich tausende an den Lippen eines Virologen und frischen ihre Mathematik-Kenntnisse zur Exponentialverteilung auf. Es ist eine irre Zeit!

Plötzlich ist alle Planungssicherheit dahin. Kein Osterurlaub, keine Flugreise, keine Hochzeit, keine Taufe, kein Werkstatt-Termin, keine geplante Operation und spätestens jetzt auch kein Frisörtermin mehr. Der Kalender ist leer und die Menschen stehen unter Schock. Die Wirtschaft ruckelt und stottert. Die Veranstaltungs- und Touristikbranche ist auf Eis gelegt und durchläuft eine schwere Krise. Und auf einmal sind wir mittendrin in einem umgreifenden Change-Prozess.

(c) by digatus.de nach der Change Kurve von Elizabeth Kübler-Ross

Schauen wir uns die Change-Kurve an, dann können wir überlegen, wo wir persönlich heute stehen. Sind wir noch unter Schock oder schon bei der Einsicht angelangt? Das Verhalten der Bürger als Reaktion auf das Kontaktverbot oder eine regionale Ausgangsbeschränkung lässt erahnen. dass die Mehrheit in der Akzeptanzphase angekommen ist, also Phase 4. Viele Zweifler und Verschwörungstheoretiker befinden sich möglicherweise noch in der Verneinungsphase (Phase 2). Der Widerstand gegen etwas Nicht-Steuerbares ist groß.

Und wie sieht das bei den Unternehmen aus? Ich würde behaupten ähnlich. Der Schock sitzt bei vielen tief, sehr viele mussten Kurzarbeit beantragen. Binnen drei Tagen trudelten über 144.000 Anträge auf Soforthilfe in der Baden-Württembergischen Landesregierung ein. Die Akzeptanz ist mehr oder weniger dar, wenn auch zähneknirschend angenommen.

Not macht erfinderisch

Einige Firmen sind aber auch schon einen Schritt weiter. Sie denken lösungsorientiert. Destillerien aus Heroldstatt, Regglisweiler und Weißenhorn und auch der bekannte „Jägermeister“ nutzen ihre Produktionshallen ab sofort für die Herstellung von Desinfektionsmittel. Manomama, ein sozial-ökonomisches Textil-Unternehmen aus Augsburg, ist in die Serienproduktion für Atemschutzmasken gegangen:

Und sie sind nicht die Einzigen. Auch Trigema hat nachgelegt. Bosch hat binnen kürzester Zeit einen Corona-Schnelltest entwickelt und im #wirvsvirus Hackathon der Bundesregierung wurden in nur 48h von über 28.000 Menschen an ca. 1.900 verschiedenen Ideen und Lösungen für die Krise gearbeitet. Ein großartiges Projekt, das beweist, welche Energie, Kraft, Zusammenhalt und Kreativität Menschen entwickelt können, wenn sie eine Vision, einen „Purpose“ finden in dem was sie tun.

Schauen wir uns die Change-Kurve also noch mal an, dann entstehen vielerorts gerade wahnsinnig spannende und solidarisch ausgerichtete Ideen, die, wie bei den agilen Prinzipien, direkt ausprobiert werden. Wir sind damit in Phase 5. Schnelle Implementierung, ausprobieren, anpassen, verbessern. Hätte mich noch vor ein paar Wochen jemand gefragt was die Deutschen bei der Entwicklung neuer Technologien z.B. im Bereich KI prägt, dann hätte ich geantwortet „Trägheit.“ Die letzten Tage und Wochen haben mir aber vor Augen geführt, was möglich ist. Und das über 28.000 Menschen an einem Wochenende agile Zusammenarbeit (in Slack) live erproben, lässt mein Agile Coach-Herz natürlich höher schlagen.*

Die nächsten Wochen bleiben spannend. In wie weit werden Unternehmen ihre neuen Prozesse und Geschäftsmodelle in den Betriebsalltag integrieren? In wie weit wird auch Schule nach der Digitalisierung mit der Injektionsspritze, weiter selbstorganisiertes Lernen im „Homeoffice“ ermöglichen? Und in wie weit werden vielleicht alle Teilnehmer des Hackathons agile Prinzipien in ihre Projektarbeit übernehmen? Wir werden es sehen. Und ich bin sehr gespannt wie viele der in dieser Corona-Krisenzeit erarbeiteten Werte, Handlungsprinzipien, Denkweisen und Prozessen auch längerfristig in unserem Denken und Handeln verhaftet bleiben werden.

Man schafft niemals Veränderung, indem man das Bestehende bekämpft. Um etwas zu verändern, baut man neue Modelle, die das Alte überflüssig machen.

Buckminster Fuller

* Anmerkung:

Betrachten wir die Change-Kurve nach Kotter oder in dieser Abwandlung nach Kübler-Ross unter dem „agilen Blickwinkel“ gibt es natürlich eine kleine Kritik. Denn nach dem Ausprobieren und der Integration ist der erreichte Status Quo ja nicht in Stein gemeißelt, sondern im der Wandel. Manche sprechen in Zeiten der Transformation deswegen auch von „Allways Beta“. Andere sagen sogar, dass der Begriff der „Transformation“ dem gar nicht gerecht wird. Es ist vielmehr eine „Evolution“, die nie endet.

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