Wenn wir das mit den Lehrlingen soweit gebracht haben… was hindert uns eigentlich daran, das mit allen Menschen im Unternehmen nicht genauso zu machen?
Warum sollten wir weiter dieses starre, hierachische System beibehalten? Warum sollten wir uns nicht mal überlegen ob wir mit allen KollegInnen im Unternehmen ein anderes System fahren können?
Ausbildung neu denken
Die ETABO Energietechnik und Anlagenservice GmbH ist ein Maschinenbauunternehmen mit ca. 150 MitarbeiterInnen und Sitz in Bochum. Nicolas Korte war bis Mitte 2020 einer der zwei angestellten Geschäftsführer. In unserer neuen Podcastfolge erzählt er von der spannenden Transformation des Unternehmens, die er gut fünf Jahre lang begleitete.
Alles fing im Jahr 2015 an. Nicolas Korte hatte einen „Erweckungsmoment“ beim Vortrag eines jungen Auszubildenen, der sein Abschlussprojekt nach einer Projektwoche in der Berufsschule präsentierte. War das der gleiche junge Mann, der in der Firma eher still und zurück haltend arbeitet und quasi nicht auffällt? Dort sprudelte er vor Energie und Freude bei der Vorstellung seiner eigenen Projektidee. Für Nicolas war nach einem Gespräch mit ihm klar, dass sich etwas grundlegend verändern musste in der unternehmensinternen Ausbildung.
Das Projekt ETABO 4.0
Nach kurzer Zeit wurde aus diesem Veränderungsanstoß für die Ausbildung das Projekt ETABO 4.0 geboren. Anstatt „Lücken“ durch ausscheidende KollegInnen mit Nachwuchskräften zu schließen und stur die fachlichen Lehrinhalte zu vermitteln, sollte die unternehmensinterne Ausbildung zum technischen Produkdesigner komplett neu gestaltet werden. Und hier wählte Korte alle Freiheitsgrade, die er sinnvoll fand. Die Lehrlinge bekamen Zeit (ca. 20% ihrer Arbeitszeit) und Geld zur Verfügung gestellt um komplett eigenverantwortlich ein Projekt zu bearbeiten. Das
was mit der gemeinsamen Anschaffung eines 3D-Druckers begann, entwickelte sich zu einem Selbstläufer. Aus einem spielerischen Ausprobieren enstand eine Innovationsschmiede mitten im Unternehmen mit jungen, kreativen Köpfen.
Neue Organisationskultur und -struktur
Doch damit nicht genug. Aus ersten Unternehmens-Veränderungen, die parallel zu ETABO 4.0 begannen und in der die beiden Geschäftsführer gemeinsam entscheideten und Verantwortung für die Projekte übernahmen, folgte irgendwann die nüchterne Erkenntnis: Wir sind das Problem. Wenn wir mehr Verantwortungsübernahme im Unternehmen möchten, muss sich etwas ändern. Wir dürfen nicht mehr allein entscheiden.
Am 12. Januar 2018 wagte Nicolas dann den radikalen Schritt und trat als Geschäftsführer zurück. Eine spannende lange Reise begann im Laufe derer sich das Unternehmen Schritt für Schritt transformierte. Der Veränderungsprozess erfasste alle Bereiche und wirkte sich aus auf
- Mitbestimmung,
- Rollen,
- Jobpositionen,
- Weiterbildung und
- auch Führung.
Es bildete sich ein Transformationsteam, das alle Bereiche anging, die verändert werden sollten. In kleinen Schritten und agilen Iterationen. Nicolas Korte und sein Geschäftsführer-Kollege musste sich üben im Geduld haben. Ihnen war aber immer klar: „Mit jedem Steuerungseingriff, den wir hier vornehmen, stellen wir alles in Frage was wir bisher erreicht haben.“
So dauerte es knapp 2 Jahre bis ein finales, neues Organigramm mit verschiedenen Teams und geteilter Leitung gefunden war. Jedes Team bearbeitet sein Produkt- und Kundensegment komplett eigenverantwortlich. Das aktuelle Organigramm kann man übrigens HIER einsehen.
Was hat mir geholfen während der Veränderung?
Am Ende unseres Interviews fragte ich Nicolas was ihm geholfen hat während der Transformation bzw. welche Tipps er anderen Geschäftsführern oder Führungskräften mitgeben würde. Nicos Antworten sind:
- Die Erkenntnis: Leadership und Followership sind untrennbar verbunden. Zum Führen gehört, das andere Menschen bereit sind mir zu folgen. Man sollte die Führungskraft als Influencer begreifen.
- Ich kann mich nur selbst führen, wenn ich auch bereit bin mir zu folgen.
- Die Erweckungsmomente wie Gespräche oder Kongresse haben mir sehr geholfen, Dinge zu durchdenken und anders zu sehen.
- Das Mantra „Warum denke ich was ich denke?“, das man ruhig 2-3mal am Tag sagen sollte um immer wieder die eigenen Glaubenssätze heraus zu fordern.
- Die Erkenntnis, was ich wirklich wirklich will und dass es auch einen eigenen Weg gibt fernab von Geschäftsführung, den ich jetzt angehen möchte.
Ich danke Nico ganz herzlich für seine Zeit und das wundere Gespräch mit vielen persönlichen Einblicken. Ich habe selbst viel gelernt und nehme das Mantra mit in meinen Alltag. Alles Gute auf deinem neuen Abenteuer!
Dann habe ich mich hingestellt und gesagt: Und ich trete dann mal zurück als Geschäftsführer hier. Ich glaube nicht, dass das zielführend ist, wenn wir weiter so arbeiten, wie wir jetzt arbeiten.
Ich bitte euch einfach mal euch zu überlegen, ob ihr weiter so machen wollt wie bisher. […] Oder ob ihr genauso Lust habt wie ich anders zusammen zu arbeiten.