Krisen begegnen

In dieser neuen Podcastfolge gibt es keinen Praxiseinblick, sondern eine neue Wissensfolge. Gemeinsam im Dialog mit Astrid Kuhlmey habe ich mich der Frage genähert, wie Unternehmen mit Ungewissheit und Unplanbarkeit umgehen können. Denn Veränderung und (digitale) Transformation bringen Organisationen erstmal aus der Stabilität. Spätestens die Corona-Krise hat uns zudem gelehrt, dass Planbarkeit auf lange Sicht nicht oder nur bedingt möglich ist.

Doch wie können Unternehmen mit dieser Unsicherheit umgehen? Welche Möglichkeiten gibt es auf organisationaler Ebene? Und wie kann jeder einzelne Mitarbeiter persönlich „sicher“ im Umgang mit Unsicherheit werden? Das diskutieren wir gemeinsam in dieser neuen Folge. Dabei betrachten wir sowohl die organisationale Seite (Unternehmen), wie auch die persönliche (Mitarbeitende).

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Astrid Kuhlmey ist Dipl. Informatikern, systemischer Coach und Expertin für Ungewissheitsforschung. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit wissenschaftlichen Theorien zum Umgang mit Komplexität und Ungewissheit und hat gemeinsam mit dem Soziologen Fritz Böhle in einem Forschungsprojekt gearbeitet. Im ersten Teil des Interviews nähern wir uns den Begrifflichkeiten. Astrid erklärt, dass es Ungewissheit erster und zweiter Ordnung gibt und ich lerne, dass Agiles Vorgehen noch ein planbares Vorgehen ist und keine Handlungsoption für unsichere Situationen ist. Wenn alles ins Wanken gerät – wie zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 – dann braucht es noch mehr.

Kognition folgt auf Intuition

Astrid Kuhlmey unterscheidet objektivierendes und subjektivierendes Handeln. Ersteres lässt uns den Verstand bemühen und Menschen kognitiv gesteuert handeln. Es hilft Unternehmen und seinen Mitarbeitenden in Situationen, die noch etwas planbar sind. Navigieren diese allerdings im Nebel, dann braucht es noch andere Handlungsoptionen: Das subjektivierende Handeln. Es folgt einem (inneren) Gespür und erfordert ein explorativem Vorgehen um in solchem Nebel wieder handlungsfähig zu werden. Sinneserfahrungen und -Wahrnehmungen spielen hier eine große Rolle. Aussagen wie „Das riecht komisch. Hier stimmt doch etwas dicht.“ oder „Ich habe ein Bauchgrummeln dabei.“ sind Sätze, die diese körperliche Wahnehmung ausdrücken.

Das soziologische Handlungsmodell

Scotty und die Raumschiff Enterprise

Astrids Lieblingsbeispiel um dieses Vorgehen in Ungewissheit anschaulich zu machen, ist Bordingenieur Scotty auf der Raumschiff Enterprise, der

  • spürt, dass gleich eine Katastrophe im Maschinenraum bevorsteht
  • dann ruhig und besonnen mit Gespür und Intuition auf die Fehler-Suche geht
  • Dinge ausprobiert und sich langsam an das Problem ran tastet
  • schlussendlich eine funktionierende Lösung findet

Im Gespräch kommen wir zu dem Schluss, dass ein funktionierendes Team in solchen Krisensituationen Gold wert ist. Jeder hat seine Kompetenz, es wird sich gegenseitig vollkommen vertraut. Auch die Leitung/ Führungskraft vertraut hier ganz auf das Team. In der kritischen Situation handelt dann der jeweilige Experte (z.B. Scotty) ruhig und besonnen mit Unterstützung durch das Team bis eine passende Lösung gefunden ist. Vertrauen, Expertise und Kooperation spielen hier also eine große Rolle.

Raumschiffs-Ingenieur Montgomery Scott (Scotty)

Wie können sich Organisationen auf Krisen vorbereiten?

Auf die Frage was Organisationen tun können um sicher im Umgang mit Unsicherheit zu werden antwortet Astrid Kuhlmey:

  1. Nicht am alten festhalten, sondern einen Chancenblick einnehmen, denn in der Krise eröffnen sich neue Möglichkeiten.
  2. Den Moment erkennen, wo rationales Vorgehen nicht mehr wirksam ist und dann
  3. Hinspüren, situativ/ explorativ vorgehen und dafür kollektive Intelligenz der Organisation nutzen.

Eine Möglichkeit um dieses zu Üben oder sich für nächste Krisen zu wappnen ist eine Fehlerkultur innerhalb der Organisation aufzubauen. Gleichzeitig sollten Experimentier- und Kreativräume innerhalb der Organisation geschaffen werden. Mitarbeitende sollten den Raum und die Zeit bekommen hier zu testen, zu spielen und kreativ an Lösungen (oder neuen Geschäftsmodellen) zu arbeiten. Auch Effectuation kann ein Vorgehen für schwer planbare Situationen/ Projekte sein.

Gehen wir von der organisationalen Ebene in die persönliche, dann gibt es auch hier verschiedene Handlungsoptionen und Möglichkeiten um den Umgang mit Unsicherheit zu trainieren:

Wie kann ich meine Mitarbeiter und/ oder mich selbst krisenfest machen?

Da subjektivierendes Handeln Emotionen und Körperlichkeit erfordern, müssen Organisationen bzw. Frührungskräfte hier ganz besonders hinhören und hinspüren auf Äußerungen im Team oder von einzelnen Personen. Aufeinander ein- und in Beziehung gehen wird besonders wichtig. Gleichzeitig hilfreich sind:

  • Angebote für Bewegung, Sport oder Körperarbeit wie Yoga oder Tai-Chi
  • die Arbeit mit Aufstellungen
  • Wahrnehmungs- und Achtsamkeitsübungen im Team zu etablieren, z.B. als Check-In vor einem Meeting
  • Standübungen anbieten um das eigene Körpergefühl zu trainieren (Sicherheit im Stand gewinnen)

Neben all diesen Angeboten um die innere Sicherheit trainieren, ist es natürlich auch wichtig äußere Sicherheit zu geben durch organisationale Rahmenbedingungen, wie Vertrauen durch die Führungskraft, Jobgarantie und eine mitarbeiterfreundliche Unternehmenskultur.

Die Haltung aus der Enterprise ist beispielhaft für die Zusammenarbeit in Unternehmen. Da sind einfach Menschen […] ein ganz diverses Team […], die sich gegenseitig vertrauen, weil jeder weiß was er kann und wo seine persönlichen Grenzen sind.

Weitere Infos und Links:

Blogartikel in der t2informatik: Was wir von Raumschiff Enterprise lernen können.

Praktische Körper-Übungen von Astrid Kuhlmey.

Buch: Gerd Gigerenzer (2007); Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. Goldmann Verlag

Prof. Fritz Böhle am Lehrstuhl für Sozioökonomie der Uni Augsburg.

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