Weiterbildung: Quo vadis?

Wie sieht die Zukunft der Weiterbildung aus? Diese spannende Frage haben sich in letzter Zeit einige Menschen gestellt. Bei Karl-Heinz-Pape, dem Mitgründer der Corporate Learning Community (CLC) in Deutschland findet sich spannende Gedanken zum Thema „Online oder offline lernen?“. Und auch Christoph Schmitt stellt sich die Frage: „Wer wird die Bereinigung auf dem Bildungsmarkt überleben?“ und betrachtet in seinem Beitrag die Position der Weiterbildungsakademien und Bildungsunternehmen.

An dieser Stelle möchte ich von meine Gedanken, vor und während des Corona-Lockdowns teilen und gleichzeitig an der Webparade von Dr. Sammet & Wolf teilnehmen, die folgende Fragen als Ausgangspunkt stellt:

  1. Was verändert sich für Trainer*innen durch COVID-19?

  2. Was sind die größten Herausforderungen für Trainer*innen im Umgang mit diesen Veränderungen?

  3. Was ist hilfreich im Umgang mit diesen Herausforderungen?

  4. Welcher Nutzen ergibt sich aus den Veränderungen für Organisationen und Trainer*innen?

  5. Was sollten Trainer*innen können, um weiterhin erfolgreich zu sein?

Meine Position

Ich habe „das Glück“, dass ich erst Ende Januar in die Selbstständigkeit als Trainerin gestartet bin mit dem festen Plan meine Trainertätigkeit regional zu beschränken und größtenteils online zu arbeiten, aus vielerlei Gründen. Vorher war ich viele Jahre angestellt intern als Trainerin und Beraterin für digitales Lernen aktiv. In diesen Jahren habe ich klassische Präsenztrainings gehalten in „PC-Räumen“ und/oder Workshops in Seminarräumen moderiert. Gleichzeitig habe ich als Expertin für digitales Lernen für Fach- und Führungskräfte Blended Learning-Programme und -Ausbildungen konzipiert und so „Lernen“ bereits früh in „eher in Präsenz“ und „auch online möglich“ eingeteilt. Ich würde also behaupten, dass ich da eine der Vorreiterinnen für neue Weiterbildung und New Learning bin.

Mit Blick auf die Zukunft und die Möglichkeiten, die in digitaler Kollaboration und Co-Kreation liegen, gab es für mich also keinen „Sprung ins kalte Wasser“ durch CoVid-19, sondern ich sah und sehe es eher als Chance „endlich“ die Möglichkeiten von digitalen Trainings zu nutzen und neue Formate und Räume (zum Beispiel in Virtual Reality) auszuprobieren.

Was verändert sich für TrainerInnen durch COVID-19?

Ganz viel und ganz umgreifend. CoVi-19 hat aus meiner Sicht die längst überfällige digitale Transformation des deutschen Weiterbildungsmarktes zu allererst in Gang gebracht. Der plötzliche Stillstand der Päsenztrainings, Workshops und auch Kongresse lähmte zu Beginn viele. Der Schock war zu groß und so stand der Weiterbildungsmarkt gut vier Wochen still. Ganz langsam erlebte ich ein Herantasten und Ausprobieren von virtuellen Formaten, oftmals von Unsicherheit gekennzeichnet in der Konzeption und Preisgestaltung. Im Juni und Juli gab es dann eine regelrechte Schwemme an virtuellen Trainings und Workshops, die bis heute anhält. Diese Schwemme macht es inzwischen sehr schwer aus der Fülle der Angebote das passende und richtige auszuwählen. Seit September 2020 beobachte ich neue Hybrid-Formate, die noch mal eine ganz neue Herausforderung darstellen. Aktuell wird hier viel erprobt und geübt. Langfristig wird die Begegnung im Raumen eine ganz neue Qualität gewinnen und virtuelle Formate für TrainerInnen Alttag werden.

Die Corona-Krise hat die längst überfällige digitale Transformation des deutschen Weiterbildungsmarktes in Gang gebracht.

Nach meinen Beobachtungen hat inzwischen jeder Trainer und jede Trainerin verstanden, dass er oder sie sich neu aufstellen und positionieren muss. Und zwar nicht nur mit der eigenen Persönlichkeit und dem Auftreten in der Trainerrolle, sondern auch mit neuen Angebotsformaten und Geschäftsmodellen.

Was sind die größten Herausforderungen für Trainer*innen im Umgang mit diesen Veränderungen?

Die Erforderung von ganz neuen Kompetenzen, die man auch unter „Digitalen Moderations-“ und „Digitalen Präsentationsskills“ zusammen fassen könnte. Hierzu gehören:

  • das gesamte Veranstaltungsmanagement (Konzipieren, Aufsetzen, Organisieren und Moderieren) von virtuellen Trainings und Workshops
  • fehlende räumliche Nähe als Hürde für soziale Nähe: Neue Techniken und Methoden finden um im digitalen Raum soziale Nähe zu schaffen
  • digital literacy: Der mündige und versierte Umgang mit Technik (Hardware) und Tools (Software)
  • didaktische online-Trainings-Kompetenz: Lerninhalte und Kooperationsformate in „Nuggets“ zu zerlegen und sinnvoll in Zeitslots und synchrone/asynchrone Formate aufzuteilen

Virtuelle Trainings erfordern also neue Fähigkeiten. Sich diese selbstorganisiert anzueignen, bzw. entsprechende Weiterbildungen, bzw. Ausbildungen zum Online Trainer zu suchen ist eine dieser Herausforderungen. Gleichzeitig kann so direkt dieses „sebstgesteuerte Lernen“ geübt werden, das nun in diesen Zeiten auch von den Teilnehmern und Lernern gefordert ist.

Was ist hilfreich im Umgang mit diesen Herausforderungen?

Neben den genannten Skills braucht es, wie für alle Veränderungen:

  • Mut sich auf die neuen Gegebenheiten einzulassen
  • Vertrauen in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten
  • der Austausch mit anderen auf Augenhöhe – als Kompass oder Reflexionsmöglichkeit
  • Lernbereitschaft bzw. Bereitschaft sich fehlende Skills, z.B. zum digitalen Lernen oder technisches KnowHow anzueignen
  • Fähigkeiten mit komplexen Situationen und Fragestellungen umzugehen und
  • das Zulassen von Fehlern

Der Vorteil an dieser Krise ist, dass wir nicht allein sind. Corona trainiert unseren Veränderungsmuskel nachhaltig. Nahezu alle Trainer müssen sich aktuell diesen Herausforderungen stellen, neue Konzepte und Formate ausprobieren, anpassen oder verwerfen und üben, üben.

Welcher Nutzen ergibt sich aus den Veränderungen für Organisationen und Trainer*innen?

Für mich als didaktische Beraterin und Lernbegleiterin für alle, die sich mit der Gestaltung und Organisation von digitalen Lehr-/Lernprozessen beschäftigen, liegt es auf der Hand:

Digitales Lernen wird nicht mehr nur als ein Exotikum betrachtet, das – z.B. in Blended Learning-Formaten zwischen zwei Präsenzphasen – Lernprozesse unterstützt und bereichert. Sondern digitales Lernen wird zum „Lernen in einer Kultur der Digitalität“, also selbstverständlich. Ich würde mir wünschen, dass wir das Wort e-Learning bald nicht mehr gebrauchen mögen.

Gleichzeitig haben wir so die Chance über die Sinnhaftigkeit von Reisen öffentlich zu sprechen. Genauer über Nachhaltigkeit, Öko-Bilanz, Kosten und Zeitbudgetierung. Präsenztrainings oder Workshops werden zur Exklusivität bzw. bekommen einen besonderen Stellenwert, der sich auch in der Konzeption wieder spiegelt. Die Zeiten von reiner 2-tägiger „Frontallbeschallung“ mit gutem Essen sollten dann vorbei sein.

Und nicht zuletzt hat die CoVid-Krise auch den Blick auf jeden Einzelnen gelenkt. Achtsamkeit und der Fokus auf die eigenen Bedürfnisse und Ressourcen war wichtiger denn je. Trainer*innen haben spätestens jetzt gelernt wertschätzender mit sich selbst und ihrer Zeit und Arbeit umzugehen.

Digitales Lernen wird zum Lernen in einer „Kultur der Digitalität“. Man spricht auch vom NEW LEARNING, in dessen Fokus der Lernende selbst und seine Bedürfnisse und Lernziele stehen. Der Trainer begibt sich in die Rolle des Lernbegleiters oder Lerncoach.

Was sollten Trainer*innen können, um weiterhin erfolgreich zu sein?

Wichtig ist die Tatsache zu verstehen, dass eine zunehmende Digitalität im Lernen auch einen „Mindshift“ in der Gestaltung von Trainings bedeutet. Man spricht deswegen heutzutage auch von „agilem Lernen“, dem Trainer als „Coach“ usw.

Dieser Rollenwechsel vom „Vermittler“ zum „Ermöglicher“ oder „Wegbereiter“ zu verstehen und auch zu leben ist die wichtigste Basis für TrainerInnen (und auch LehrerInnen).

TrainerInnen sollten mit diesem Blick auf die Gestaltung Ihrer Arbeit folgendes beherrschen:

  • didaktische Konzeption von Trainings flexibel anwenden (hybrid, nur virtuell, nur in Präsenz, etc.), je nach Ausgangssituation und Möglichkeiten
  • Lernsettings erzeugen, die selbstgesteuertes Lernen möglich machen (z.B. asynchrone Online-Trainings aufbauen, Video-Impulse oder Erklärvideos produzieren, Podcasts aufnehmen usw.)
  • als Lerncoach den Lernenden beratend zur Seite stehen
  • Begegnung in Präsenz wertstiftend nutzen, z.B. zum Austausch, zur Kollaboration oder Reflexion

Wie bei jeder digitalen Transformation braucht auch diese Veränderung des Weiterbildungsmarktes und Trainerberufes vor allem Veränderungskompetenz und die Fähigkeit mit Komplexität umzugehen: Bei der Planung zusammen mit der Organisation, wie auch bei der Durchführung und Nachbereitung von Lehr-/Lernprozessen.

Wie sieht die Weiterbildung in Zukunft denn nun aus?

Um diese Frage abschließend zu beantworten bzw. Thesen zu bilden, lohnt sich ein Blick auf die neueste Bitkom-Studie zur Weiterbildung im Jahre 2025.

Im Rahmen der Studie wurden knapp 400 Fach- und Führungskräfte befragt. Welche Formate und Inhalte die Weiterbildungslandschaft im Jahr 2025 prägen werden, wurde mit der Hilfe von zehn Szenarien und einer wissenschaftlichen Umfrage untersucht. Diese Zukunftsszenarien sind im folgenden Bild dargestellt (Klick macht groß):

Weiterbildung 2025 I (c) Bitkom Akademie

Weiterbildung 2025 – die Bitkom Vision

  1. Der War for Talents hat sich weiter verschärft. Arbeitgeber mit dem attraktivsten Weiterbildungsangebot gewinnen die besten Mitarbeiter für sich. Da viele Fachkräfte fehlen, investieren Organisationen massiv in Weiterbildung.
  2. Lernende sind nur noch in seltenen Fällen bereit, zu Präsenzformaten anzureisen. Der Kostendruck auf Weiterbildungsbudgets ist gleichzeitig stark angestiegen, daher ergibt sich eine Reduzierung des Angebots von Präsenzformaten.
  3. Soft Skills werden wichtiger als Hard Skills. Zu den wichtigsten Soft Skills zählen beispielsweise Veränderungsfähigkeit, vernetztes Arbeiten und digitales Führen von selbstgesteuerten Teams.
  4. Mitarbeiter organisieren eigenverantwortlich ihre Weiterbildung. Zentrale Bildungsinstanzen in Organisationen stehen ihnen als Sparringspartner und Ratgeber zur Seite.
  5. On- und Offline-Formate ergänzen sich automatisch. Lernende bewegen sich ganz selbstverständlich in der Augmented und Virtual Reality mit digitalen Tutoren und Avataren. Künstliche Intelligenz zeigt den Lernenden individuelle Lernpfade auf.
  6. Weiterbildung nun ganz selbstverständlich zu einem modernen Lebensstil dazu. Die Grenzen zwischen beruflicher und privater Weiterbildung verschwimmen. Permanentes Lernen bei der Arbeit und in der Freizeit ist Teil der Selbstverwirklichung vieler Menschen geworden und sie investieren auch privat finanziell in ihre Weiterbildung.
  7. Lernende fordern in Weiterbildungen sofortige Lösungen für ihre persönlichen Herausforderungen. Weiterbildungsformate und -inhalte sind daher flexibel auf individuelle Bedürfnisse unterschiedlicher Gruppen (z. B. Alter, Hierarchie etc.) anpassbar. Menschen teilen bedenkenlos ihre Daten, um personalisierte Angebote zu erhalten.
  8. Weiterbildungsanbieter liefern standardmäßig Daten zur Effektivität ihrer Angebote und bilden den Umsetzungs- und Lernfortschritt der Lernenden direkt ab. Die Wirksamkeit von Weiterbildungsangeboten dient als hauptsächliches Entscheidungskriterium für Weiterbildungsverantwortliche und bestimmt die Reputation der Anbieter.
  9. Weiterbildungsanbieter agieren zunehmend als Berater, Begleiter und Gestalter von Lernformaten. Bei Standardthemen wird der Markt von einigen wenigen Anbietern dominiert, während Trendthemen von vielen unterschiedlichen Anbietern vermarktet werden.
  10. Im Jahr 2025 haben viele Lernende eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne. Lernformate und -inhalte sind kürzer und zielfokussierter gestaltet, um produktives Lernen zu ermöglichen.

Wer mehr über die Ergebnisse der Studie von Bitkom und HR Pepper Consultants erfahren möchte, kann sich hier den ganzen 25-seitigen Bericht anschauen oder herunter laden.

Ich kann mit den Studienergebnissen, bzw. 10 Hypothesen vollkommen mitgehen, denn sie decken sich sehr mit meinen persönlichen Einschätzungen. In fünf Jahren wissen wir wohl mehr.

Veranstaltungshinweis

Zum Zukunft der Weiterbildung gestalte ich auch eine Session beim Corporate Learning Barcamp 2020, am Freitag, den 25. September von 11-11:45 Uhr.

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